Franziska Ullrich über ihre Karriere, Best-Case-Szenario für Ophthorobotics und Herausforderungen eines MedTech-Jungunternehmens

Franziska Ullrich ist Mitgründerin und CEO der Ophthorobotics AG. Das Start-up will medizinische Injektionen in das Auge mit Hilfe eines automatisierten Assistenzsystems für die Augeninjektion sicher und präzise machen. Im Interview erzählt sie über ihren Karrierepfad, ein Best-Case-Szenario für Ophthorobotics, Herausforderungen eines MedTech-Jungunternehmens und teilt einen Buchtipp.

 

Karriere

Franziska, dein Start-up hat im Oktober gleich mehrere Auszeichnungen erhalten. Wie schaffst du das?

Ich bleibe am Ball. Für ein Start-up ist es natürlich zunächst wichtig, bekannt zu werden, um mit Investoren oder strategischen Partnern in Kontakt zu kommen. In der Welt der vielen interessanten Start-ups möchte jeder gesehen werden. Start-up-Wettbewerbe und Investoren-Events gehören deshalb am Anfang dazu. Bei jedem Pitch lernen wir etwas Neues dazu – oft lernt man durch kritisches Feedback mehr dazu.

Nebenbei, ich habe deinen Pitch bei Swiss Startup Days erlebt. Wie hast du dich darauf vorbereitet? Hast du eventuell vor deinem Team präsentiert und Fragen aus dem Team wie vor Investoren beantwortet?

Natürlich muss man sich vorbereiten. Ich gebe mittlerweile häufig Pitches und werde kaum noch mit neuen Fragen konfrontiert, zu denen wir uns noch keine Gedanken gemacht hätten. Auch die Übung vor dem Spiegel oder den Kollegen bereitet gut vor. Als Vorbereitung zu den Swiss Startup Days wurde sogar ein Pitch-Training von den Organisatoren angeboten.

Gut. Ab wann beginnt deine Karriere? Ab 2008? Du hast zu dieser Zeit in Schweden und dann in Australien studiert und gearbeitet.

Stimmt, ich habe mehrere Praktika oder Studienarbeiten im Ausland absolviert. Mir hat das geholfen, mit Menschen verschiedener Kulturen umzugehen. Auf sich alleine gestellt zu sein stärkt zudem die eigene Persönlichkeit. Man lernt plötzlich mit ungewohnten Situationen umzugehen.

Danach warst du bei MTU Maintenance in China und ABB in Zürich. Was habt ihr in China gemacht und wie hat die Zusammenarbeit mit chinesischen Teams funktioniert?

Bei der MTU Maintenance war es meine Aufgabe, einen Prozess zu beobachten und zu optimieren. Mein Tipp wäre, sich höflich für das Land und die Menschen zu interessieren – allerdings trifft das nicht nur auf China zu. Zum Beispiel habe ich mit den Werksarbeitern zusammen in den Pausen gebastelt. Das mag merkwürdig klingen, aber so konnten wir – trotz der Sprachbarriere – einander kennenlernen.

Du hast dann nach Praktika von 2012 bis heute an der ETH deine PhD und Post-Doc gemacht. Was lernt man bei der ETH, was man an anderen Unis nicht lernt?

Ich kenne andere Unis nicht gut genug, um diese Frage zu beantworten. Was ich allerdings an der ETH sehr schätze, ist das internationale Flair und die Freiheit, die einem während der eigenen Arbeit geboten wird. Die ETH ist eine offene und international anerkannte Universität und trotzdem ist die Art des Zusammenarbeitens sehr persönlich. Ausserdem existieren viele Möglichkeiten, mit anderen Institutionen im In- und Ausland zusammenzuarbeiten.

 

Start-up

In deinem ETH-Interview erzählst du, wie die Idee von Ophthorobotics entstanden ist. Wer sind diese Leute, die dich auf die Idee gebracht haben?

Die Idee zu einem automatisierten Assistenzsystem für die Augeninjektion entstand durch intensive wissenschaftliche Kollaboration des Multi-Scale Robotics Lab der ETH Zürich mit Augenspezialisten vom Triemlispital in Zürich. Professor Stephan Michels kennt aus erster Hand die Schwierigkeiten, welche Injektionen in das Auge mit sich bringen – sowohl für den Arzt und das Gesundheitssystem als auch für den Patienten.

Was wäre in eurem Fall das Best-Case-Szenario?

Im besten Fall können wir ab 2020 erste medizinische Geräte verkaufen – und das in Europa. Wir hoffen natürlich, dass die Nutzung solcher assistierenden Injektionssysteme nicht nur von den Kliniken und Ärzten, sondern auch von Patienten gut aufgenommen wird.

Gut. Wie sieht heute der Markt für medizinische Geräte, die für Injektionen in das Auge sorgen, aus?

Heute werden Injektionen manuell in das Auge gegeben. Das bedeutet, dass der Augenarzt ein Medikament mittels Spritze direkt ins Auge spritzt. Die Anzahl der Injektionen steigt seit der Einführung dieser Behandlungsart drastisch an. Im Jahr 2014 wurden in nur 7 ausgewählten Industriestaaten mehr als 4 Millionen Injektionen ins Auge verabreicht.

Und was ist der Unterschied zu gängigen Lösungen?

Mit unserer Lösung kann das Medikament sicher und präzise in das Auge injiziert werden. Da die Injektion selbst durch das Assistenzsystem gegeben wird, können mehr Patienten mit den gleichen Ressourcen (z.B. in der gleichen Zeit) behandelt werden.

Verstehe ich richtig, dass ihr älteren Menschen helfen wollt, der Blindheit vorzubeugen? Und das ist das Problem heute, das nicht «elegant» gelöst wird?

Die bestehende Problematik ist, dass Spitäler aufgrund der steigenden Patientenzahlen an ihre Kapazitätsgrenzen stossen. Mittels eines assistierenden Injektionssystems können mehr Patienten Ihre optimale Behandlung bekommen.

Was ist eure Zielgruppe für das Produkt? Spezialisierte Arztkliniken, die eine Dienstleistung der Diagnose/Heilung anbieten können?

Zunächst besteht die Zielgruppe aus Augenkliniken – private und öffentliche. In diesen Kliniken finden die meisten Injektionen statt. Später sollen auch kleinere private Arztpraxen eines unserer Injektionssysteme nutzen können.

Ich gehe davon aus, dass man als Start-up in finanziellen Mitteln sehr beschränkt ist, wenn das Produkt noch nicht fertig ist. Wie hält ihr euch übers Wasser?

Zur Zeit finanzieren wir uns durch öffentliche Fördergelder und über Stiftungen. Diese Mittel genügen sicher nicht, um das komplette System zu entwickeln, weshalb wir zur Zeit nach privaten Investoren und Business Angels suchen.

Ich nehme an, ihr sucht jetzt nach Finanzierung. Wenn es dem so ist, wofür braucht ihr das Geld? Was sind Kalkulationen dahinter?

Wir suchen zur Zeit nach Investoren und Partnern für eine A-Finanzierungsrunde. Diese soll uns erlauben, einen klinischen Prototyp entwickeln zu können. Die nächste Runde soll dann die klinischen Studien und den regulatorischen Prozess – bis zur CE-Zertifizierung – ermöglichen.

Du hast vor kurzem auch gesagt, dass es ziemlich schwierig ist, das nötige Startgeld zu finden? Was fehlt der Schweizer VC-/Start-up-Szene? Eine neue Plattform zur Finanzierung von Start-ups oder allgemein etwas mehr Risiko?

Plattformen existieren viele und man findet engagierte und neugierige Partner. Natürlicherweise benötigen wir als MedTech-Start-up grössere Summen, um ein marktreifes Produkt zu entwickeln. Das Valley of Death ist tief und lang. Die Schwierigkeit besteht also darin, motivierte Partner zu finden, die schon früh im Entwicklungsprozess bereit sind, das Risiko einer solchen Entwicklung mitzutragen. Aus Sicht des Jungunternehmers wäre also eine höhere Risikobereitschaft wünschenswert.

Was sind die drei wichtigsten Sachen, die du in den 3 Jahren Start-up-Leben gelernt hast?

Ich habe gelernt, dass das Feedback wichtig ist und man hinhören sollte. Es gibt viele intelligente und erfahrene Menschen, die gerne ihr Wissen weitergeben. Man muss nicht alles genauso machen, aber das Hinhören ist essentiell. Dann sollte man keine Angst haben anzuecken. Der Weg in einem Start-up ist nicht geradlinig und klar, man macht viele Kurven und Wendungen, um anzukommen. Mein Weg ist noch vor mir.

Ein Buch, das du zum Lesen empfehlen würdest?

«Never eat alone» von Keith Ferrazzi. Zur Entspannung les ich gerne Kriminalromane.

Eine Person, deren Meinung du vertrauen würdest?

Im professionellen Sinne, natürlich meinen Mitgründern, die sowohl die robotische als auch die medizinische Expertise beisteuern.

Ein Unternehmen, dessen Kultur dir am nächsten ist?

Das Beste ist, dass wir unser eigenes Unternehmen inklusive der Kultur erschaffen können.

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